"Der kleine Hobbit" von J. R. R. Tolkien

Es war der perfekte Start in meine neue Leseliste: Auf meinem Weg nach Hamburg hat mich Tolkiens „Der kleine Hobbit“ begleitet und während ich in meiner neuen Wahl-heimat ankam, folgte ich Bilbo auf seiner abenteuerlichen Reise durch Mittelerde.


Über den Autor
John Ronald Reuel Tolkien wurde am 3. Januar 1892 in Bloemfontein in Südafrika ge-boren. Mit vier Jahren zog er mit seiner Mutter und seinem kleinen Bruder Hilary nach England; sein Vater starb ein Jahr darauf in Südafrika. Keine zehn Jahre später verstirbt auch Tolkiens Mutter und so wuchsen J. R. R. und sein Bruder bei Verwandten und Pflege-eltern auf.
Tolkien, der sich schon seit seiner Jugend für vergessene Sprachen und Mythen interessierte, begann 1910 mit Hilfe eines Stipendiums ein Studium in englischer Sprache an dem Exeter College in Oxford.
Sechs Jahre später heiratete er seine Jugendfreundin Edith Bratt und zog danach als Unteroffizier in den Ersten Weltkrieg. Dort erkrankt Tolkien am „Grabenfieber“, oder auch Wolhynisches Fieber, einer durch Bakterien verursachte Infektionskrankheit. Ihre Symp-tome ähneln der einer Grippe, mit starkem Fieber und Gelenkschmerzen (insbesondere in den Beinen). Man schickte ihn daraufhin ins Krankenhaus in Birmingham, wo er sich aufgrund einer längeren Genesungszeit eine Weile aufhielt.
Nach Kriegsende begann Tolkiens beachtliche Karriere als Philologe und Schriftsteller. Zunächst fängt er als Mitarbeiter des „Oxford English Dictionary“ an, erhielt dann aber ab 1924 eine Professur für englische Philologie (und später auch für Literatur) in Oxford.
Etwas mehr als zehn Jahre später, 1937, erschien Tolkiens Erzählung „The Hobbit“ und wurde ein großer Erfolg. „The Lord of the Rings“ (dt. „Der Herr der Ringe“), sein daran anschließendes Projekt, wurde im Zeitraum zwischen 1954 und 1955 veröffentlicht. Mit seinen Werken prägte Tolkien die Fantasyliteratur maßgeblich, doch auch als Philologe genoss er großes Ansehen.
Tolkien verstarb im September 1973 in Bournemouth, England. Von seinen vier Kindern nahm sich sein Drittes, sein Sohn Christopher, seinem literarischen Nachlass an und brachte über viele Jahrzehnte posthum die Geschichten seines Vaters heraus, bis dieser schließlich im Alter von 95 Jahren 2020 verstarb.


Über das Buch
Bilbo Beutlin ist ein Hobbit. Und jeder weiß, dass Hobbits äußerst gemütliche Wesen sind, die jegliche Abenteuer und Aufregung scheuen. Hin und wieder gibt es da allerdings eine Ausnahme, ganz besonders in der Tuk-Familie, von der auch Bilbo abstammt. Doch als eines schönen Morgens Bilbo auf den Zauberer Gandalf trifft, da hält dieser von Abenteuern noch herzlich wenig. Mehr zufällig und zunächst auch mehr unfreiwillig wird er Teil einer abenteuerlichen Unternehmung: Eine Gruppe Zwerge wollen ihren Schatz zurück, den der Drache Smaug vor vielen Jahren an sich gerissen hat. Noch immer sitzt diese grässliche Kreatur auf dem Schatz im Innern der einst wunderschönen Zwergen-stadt im Einsamen Berg. Aus eben diesem Grund benötigen die eher grobschlächtigen Zwerge einen Meisterdieb – und Gandalf erwählte hierfür niemand anderen als Bilbo. Der Hobbit schließt sich also der Unternehmung an und gemeinsam brechen sie mit dem Zauberer auf. Unterwegs treffen sie auf viele Gefahren, von hungrigen Trollen über fiese Orks, gefährliche Warge und dem seltsamen Wesen Gollum.
Es ist die Geschichte eines kleinen Hobbits, dem man zu Beginn kaum etwas zutraut (der sich selbst kaum etwas zutraut und lieber gemütlich mit einer Tabakpfeife im Sessel vor dem Kamin sitzt), und der doch Unglaubliches erlebt und schafft.


Meine Meinung
„Der kleine Hobbit“ ist eine wirklich bezaubernde Geschichte, welche den Leser erstmals mit nach Mittelerde nimmt. Zu Beginn weiß man noch gar nicht so recht, was man von Bilbo Beutlin halten soll, gerade da er sich sehr oft (jammernd) zurück in sein heimeliges Zuhause zurückwünscht. Doch mit jedem Kapitel wuchs er mir mehr ans Herz. Bilbo ist so ein kleiner, tapferer Kerl, der das Herz auf dem rechten Fleck hat. Und so erweist sich Gandalfs eher fragwürdige Wahl, Bilbo als Meisterdieb zu erwählen, als die eindeutig richtige Wahl.
Die Zwerge sind ebenfalls sympathische Wesen, wenngleich sie, wie es auch im Buch heißt, keine Helden sind, sondern Geschäftsmänner. Und so muss man gegen Ende auch das ein oder andere Mal den Kopf über die Ansichten und Entscheidungen der Zwerge schütteln.
Vielleicht an dieser Stelle ein paar Worte zur Erzählweise: es gibt einen auktorialen Erzähler, der gelegentlich den Leser anspricht, Anmerkungen macht oder Informationen gibt – was mich allerdings nicht gestört hat. (Der Stil ist manchmal gewöhnungsbedürftig, ich weiß aber nicht, inwieweit man das Tolkien zur Last legen kann – dafür müsste ich wohl mal das englische Original lesen.)
Man merkt der Sprache an, dass es sich hierbei um ein Kinder-/ bzw. Jugendbuch handelt. Anders verhält es sich aber mit der Kapiteleinteilung. Ich persönlich ziehe kurze Kapitel (nicht mehr als 20–25 Seiten) langen vor. Es gibt allerdings im „Hobbit“ Kapitel, die sind bis zu 50 Seiten lang, was ich persönlich anstrengend zu lesen – und nicht sonderlich „kinderfreundlich“ finde. Das ist allerdings auch schon mein einziger Kritikpunkt an der Aufmachung.
Ich will aber noch einmal auf den Punkt Sprache zurückkommen. Es gibt diverse Diskussionen über die verschiedenen deutschen Übersetzungen, wobei man sich uneinig darüber ist, welche nun am besten ist. Die dtv-Ausgabe wurde von Walter Scherf übersetzt, die ich tendenziell ganz gut fand. Hier und da kommt sie einem etwas veraltet vor. Irritierend fand ich, dass manches nicht so übersetzt wurde, wie es dann in der Verfilmung der „Herr der Ringe“-Reihe von Peter Jackson war (die ich zuerst kannte). So heißt z. B. der Ort, an dem Elrond lebt „Rivendell“ und nicht „Bruchtal“.
Was mir an meiner Ausgabe allerdings nicht gefallen hat, waren die Illustrationen. Die waren leider so gar nicht mein Fall, was ich sehr schade finde. Die Illustrationen im Inneren entsprechen übrigens nicht dem Stil der Buchcover-Gestaltung, denn die wiederum hat mir eigentlich ganz gut gefallen.
Was mich am meisten gestört hat, ist die Darstellung von Gollum, denn der sieht aus wie eine riesige, nackte Kröte. Ich habe keine Ahnung, was sich der Illustrator dabei gedacht hat – oder was der Verlag ihm vorgeschrieben hat. Denn aus dem Text geht eigentlich schon hervor, dass Gollum mal eine menschenähnliche Gestalt gewesen war, die Kleidung getragen hat, usw. Wie aus so einem Wesen dann eine fette, große Kröte wurde, ist mir schleierhaft. Vielleicht kaufe ich mir irgendwann noch eine Ausgabe mit den Illustrationen von Alan Lee.
Von mir gibt es für diesen Klassiker aus Tolkiens Feder 4 von 5 Sternen. „Der kleine Hobbit“ ist zudem ein wunderbarer Einstieg in die Fantasyliteratur für Kinder ab 10–12 Jahren.


Gewusst?
In Tolkiens „Hobbit“ kommt keine einzige handelnde Frauenfigur vor. Belladonna Tuk (Bilbos Mutter), und Gollums Großmutter, die ihm beigebracht hat, wie man Eier ausschlürft, sind sogar die einzigen Frauen, die erwähnt werden – aber das war es auch schon. Eine magere Ausbeute!


Die Verfilmung von „Der Hobbit“ (2012–2014, Peter Jackson)
Ein paar Worte muss ich einfach noch zur Verfilmung loswerden! Bei etwa der Hälfte des Buches ergriff mich der Wunsch, den „Hobbit“-Film zu schauen. Ich hatte die Trilogie vor einigen Jahren mit meinem Vater im Kino angeschaut und fand sie damals eigentlich ganz gut. Seitdem habe ich sie aber nicht nochmal geschaut. Die „Herr der Ringe“-Trilogie hingegen habe ich wirklich sehr, sehr oft angesehen – und liebe sie bis heute.
Als ich nun aber den ersten Film der „Hobbit“-Trilogie geschaut habe, war ich nach nicht einmal zehn Minuten schon irritiert. Ich hatte schon von einem Freund gehört, dass die Verfilmung einiges anders gemacht hat… mir war nur nicht klar, wie viel anders.
Selbst die Szenen, die sie aus dem Buch übernommen haben, verlaufen im Film teilweise (komplett) anders. Das fängt schon mit dem Vertrag an, der zu Beginn geschlossen wird. Im Film wirkt Bilbo so, als wäre er total scharf auf das Abenteuer und rennt den Zwergen hinterher. Im Buch macht er sich einen ganz gemütlichen Morgen, ist froh, dass die Zwerge weg sind und genießt sein Leben – bis Gandalf auftaucht und ihm förmlich aus seinem Heim wirft, damit er den Hintern hochkriegt.
Außerdem wurde wirklich viel hinzugefügt, was nicht im Buch selbst vorkommt – das geht von ganzen Szenen bis zu Auftritten einzelner Figuren wie Radagast, Galadriel, Legolas u. w.
Des Weiteren waren die Zwerge schon von Anfang an eher biestig zu den Elben – dabei stellt sich das erst gegen Ende des Buches ein. Ein Beispiel: Im Film haben die Zwerge Probleme mit dem elbischen „grünen“ Essen. Im Buch waren sie bei Weitem nicht so wählerisch – die waren froh um jedes Essen, das sie unterwegs hatten! Hauptsache Essen (und ein Dach über dem Kopf)!
Ich lege jedem das Buch nahe – ich finde es so viel besser als die Verfilmung – von der ich in Zukunft die Finger lassen werde.


J. R. R. Tolkien: Der kleine Hobbit
Übersetzung von Walter Scherf
Dtv Verlag, Taschenbuch, 478 Seiten, 2012
ISBN: 978-3-423-71500-3
9,95 €

Rezension und Bilder © Melanie Beck


Quellen
„Bücher, die man kennen muss. Populäre Bestseller“, Duden Verlag, 2011

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