„Frau Shibatas geniale Idee“ von Emi Yagi

Vor ein paar Wochen bekamen wir in der Buchhandlung ein Leseexemplar dieses Buches, das ich mir sofort geschnappt habe. Schon in der Vorschau klang Frau Shibatas geniale Idee einfach ungewöhnlich und interessant, was ich mir nicht entgehen lassen wollte. Das Buch habe ich dann in wenigen Tagen durchgelesen und war danach ein wenig hin und hergerissen.


Emi Yagi wurde 1988 geboren. Mit ihrem ersten Roman Frau Shibatas geniale Idee hat sie in Japan den Osamu Prize gewonnen, einen Preis für japanische Nachwuchsautoren und deren besondere und noch nicht veröffentlichte Werke.
Mehr Informationen findet man leider nicht über Yagi (was ein wenig erschreckend und traurig ist – nicht einmal auf der Homepage des Atlantik / Hoffmann und Campe Verlages findet man mehr).


Über das Buch
Frau Shibata ist, wie der Titel vermuten lässt, die Protagonistin dieses kleinen Buches. Sie ist 34 Jahre alt und arbeitet in einem Unternehmen in Tokio, das Papierrollen herstellt. In ihrer Abteilung ist sie die einzige Frau und wird von ihren männlichen Arbeitskollegen auch wie das sprichwörtliche Mädchen für Alles behandelt. Sei es das Ausleeren der vollen Aschenbecher, das Kochen und Servieren des (Instant!)-Kaffees oder das Verteilen von Essen oder der Post – alles halst man ihr auf, dabei hat sie selbst genug Arbeit. Als man dann irgendwann von ihr wieder erwartet sich um die benutzten Kaffeetassen und vollen Aschebechern zu kümmern, kommt ihr eine Idee: Frau Shibata behauptet schwanger zu sein, obwohl sie es nicht ist. Und mit einem Schlag wird sie besser behandelt, man nimmt mehr Rücksicht auf sie, sie erhält mehr Aufmerksamkeit und sie muss keine Überstunden mehr machen. Frau Shibata findet schnell Gefallen an ihrem neuen Leben und bemüht sich, ihre Lüge aufrecht zu erhalten - aber mit jeder Woche die vergeht, rückt sie dem imaginären Geburtstermin und damit dem Ende ihrer Lüge näher…


Meine Meinung
Die Titel gebende geniale Idee von Frau Shibata ist es schwanger zu sein, ohne schwanger zu sein. Dass diese Idee aber auch einen fetten, großen Haken hat, ist relativ schnell klar: Schwangerschaften dauern nicht ewig an (dem Himmel sei Dank). Ich war daher vor allem gespannt darauf, wie sich Frau Shibatas Lüge entwickelt, wie weit sie geht und was sie nach neun Monaten macht, wenn klar ist, dass ihre Lüge ein Verfallsdatum hat.
Um nicht aufzufliegen informiert sich Frau Shibata eingehend, nimmt dabei (unfreiwillig) sogar zu und landet schließlich in einem Aerobickurs für Schwangere. Von allen wird sie besser behandelt, knüpft sogar neue Kontakte und hat kurzum ein besseres Leben als zuvor.
Natürlich schwingt hier eine ordentliche Portion Gesellschaftskritik mit. In Japen, aber auch in vielen anderen Ländern, ist die Frau noch weit von der Gleichberechtigung entfernt. Selbst in Deutschland ist es kein Geheimnis, dass Männer noch immer besser verdienen als Frauen.
In Japan ist die Lage jedoch noch schlechter. Für Frauen ist es dort sehr hart Karriere zu machen, nicht selten werden sie von ihren männlichen Kollegen belächelt oder nicht ernst genommen. Hinzukommt die allgemein häufig ungesunde Einstellung zur Arbeit; lange Arbeitszeiten, durch die alleinstehende Menschen zunehmend vereinsamen.
Emi Yagi führt den Leser mit einer klaren und einfachen Sprache (in der deutschen Übersetzung) an diese Themen heran, ohne dabei den Finger direkt auf die Wunde legen zu müssen. Das Buch liest sich sehr flüssig und aufgrund der eher kurzen Kapitel und der überschaubaren Seitenzahl recht schnell. Die Kapitel sind übrigens in Schwangerschafts-wochen eingeteilt, was ich sehr clever (wenn nicht sogar genial ; ) finde.
Womit ich allerdings ein wenig hadere ist das Ende dieses Buches, das wohl auch ein wenig umstritten unter den Lesern ist. Manche mögen es, manche nicht. Ohne hier zu viel zu verraten, möchte ich nur sagen, dass ich das Ende überraschend und etwas seltsam fand – damit und mit der Entwicklung von Frau Shibatas „Schwangerschaft“ hatte ich so nicht gerechnet. Besonders wenn irgendwann die Grenze zwischen Wahrheit und Lüge zu verwischen scheint. Meinen Geschmack hat es nicht ganz getroffen, dennoch ist Emi Yagis Erstling ein guter und vor allem interessanter Roman, der sicher vielen gefällt!
Von mir gibt es 3,5 von 5 Sternen.



Emi Yagi: Frau Shibatas geniale Idee
Übersetzt von Luise Steggewentz
Atlantik Verlag, Gebunden, 208 Seiten, 2021
ISBN: 978-3-455-01259-0
21,00€


Rezension und Bilder © Melanie Beck

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