„Schlafes Bruder“ von Robert Schneider

Vor einigen Jahren besuchte ich ein Seminar, in dem von eben diesem Buch geschwärmt wurde. Mir sagte der Titel damals gar nichts, war aber so neugierig geworden, dass ich es mir kurz darauf bestellte. Ich hatte es zwischenzeitlich einmal angefangen zu lesen, kam aber nicht weit und hörte wieder auf. Im Juni dieses Jahres habe ich es mir endlich wieder vorgenommen und habe es wesentlich schneller gelesen, als zu Beginn gedacht.


Robert Schneider wurde im Juni 1961 in Bregenz, Österreich geboren. Im Alter von zwei Jahren gab man ihn zur Adoption frei, seine leiblichen Eltern hat er nie kennengelernt.
Mit 20 Jahren studierte er Komposition, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte in Wien und arbeitete danach als Fremdenführer und Organist.
Schlafes Bruder war Schneiders Debütroman, den 24 Verlage ablehnten, ehe er 1992 bei Reclam veröffentlich wurde. Durch die Empfehlungen von Buchhandlungen gelangte das Buch schließlich an Ruhm und wurde zu einem großen Erfolg. 1995 erschien bereits die gleichnamige Verfilmung von Joseph Vilsmaier. In einem Interview gibt Schneider zu, dass ihm der Ruhm zu Kopfe gestiegen und dass der Druck bei seinem Zweitling enorm gewesen war.
Schlafes Bruder wurde in über 30 Sprachen übersetzt und ist zum Teil, so Schneider, autobiografisch.
Robert Schneider ist verheiratet, hat zwei Kinder und schreibt regelmäßig für die Kronen Zeitung, einer Tageszeitung in Österreich.


Über das Buch
Des Todes Bruder ist der Schlaf
Dieses Buch erzählt die Geschichte von Johannes Elias Alder, der mit 22 Jahren beschließt, nicht mehr zu schlafen und auf diese Weise den Tod findet. Dies erfährt der Leser bereits im ersten Satz.
Die Geschichte beginnt jedoch zunächst vornehmlich mit dem Dorf Eschberg im Voralberg, wo 1803 schließlich Johannes Elias Alder, Elias genannt, das Licht der Welt erblickt. Dieser beweist schon in frühen Jahren ein besonderes Talent, eine außer-gewöhnliche Musikalität und ein umfassendes Hörvermögen, mit dem er die noch so leisesten, unscheinbarsten Geräusche und Töne wahrnimmt. Ein großer Stein im nahegelegenen Wald spielt hierbei auch eine besondere Rolle und ist für Elias vielleicht so etwas wie ein Dreh- und Angelpunkt.
Das Genie des Johannes Elias Alder wird allerdings nie bekannt, nie gefördert und so ist dies die Geschichte des Lebens und Sterbens eines ungewöhnlichen Musikers, dessen Name nie in die Geschichte einging, obwohl er das Potential dazu hatte.


Meine Meinung
Wenngleich der Leser zu Beginn der Geschichte bereits erfährt, welches Ende das Leben des Elias nimmt, mindert das bei Weitem nicht die Neugier und das Interesse an der Geschichte und diesem eigenartigen Protagonisten. Wie heißt es so schön? Der Weg ist das Ziel.
Die Geschichte ist eigen, stellenweise schonungslos, grotesk, aber auch berührend, traurig und immer faszinierend. Anfangs musste ich einmal kurz an den Oskar Matzerath aus Grass' Blechtrommel denken. Während Oskar jedoch für mich zu den furchtbarsten Protagonisten gehört, ist Johannes Elias Alder doch ganz anders. Er ist ein herzensguter Mann, voller Potential, Talent und schlichtweg menschlich, daher leidet man auch so mit ihm. Gerade da er aus Liebe am Ende beschließt zu sterben...
Die Sprache ist mit ihrer altertümlich anmutenden Wortwahl und Formulierung ange-passt an die Zeit der Handlung: Anfang des 19. Jahrhunderts. Das ist zwar zu Beginn vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, aber das gibt sich nach kurzer Zeit und trägt schnell zu dem Charme dieser Geschichte bei.
Erschüttert liest man, wie dieses großartige Talent des Elias einfach verkannt bzw. erst gar nicht wertgeschätzt wird und man fragt sich natürlich, wie oft das wohl tatsächlich vorkommt in unserer Welt… Die Art wie über Töne, Klänge, Musik und Elias Talent geschrieben wird, hat mich oft an Süskinds Das Parfum erinnert, nur, dass es dort um das olfaktorische Talent des Grenouilles ging, um Gerüche, Gestank und das perfekte Parfum.
Aber Schlafes Bruder erzählt nicht nur von dem Musikgenie oder den Klängen dieser Welt, sondern auch von Freundschaft, Liebe und das Nicht-Wissen, wie man Liebe zeigt und erwidert. Von mir gibt es 4 von 5 Sternen.



Hier die aktuelle Ausgabe von Reclam (meine ist mal wieder vergriffen…):
Robert Schneider: Schlafes Bruder
Reclam Verlag, Taschenbuch, 212 Seiten, 2020
ISBN: 978-3-15-020567-9
10,00€


Rezension und Bilder © Melanie Beck

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