"Momo" von Michael Ende
Nachdem ich mit elf Jahren mein erstes Buch von Michael Ende gelesen habe (Die unendliche Geschichte) und dieses mir so gut gefallen hat, dass es seitdem mein Lieblingsbuch ist, lag es auf der Hand, auch mal andere Bücher von Ende zu lesen. Vor zwei, drei Jahren fand ich dann die Taschenbuchausgabe von Momo in unserem öffentlichen Bücherregal. Die Ausgabe, die ich für diesen Beitrag fotografiert habe, ist aber aus der Buchhandlung, da ich die Taschenbuchausgabe längst gelesen und wieder zurück ins Regal gestellt habe.
Michael Ende wurde 1929 in Garmisch-Partenkirchen geboren, verbrachte seine Kindheit jedoch in München. Er war der Sohn von Edgar Ende, einem Maler aus Hamburg, dessen Werke aufgrund der surrealistischen Anklänge in der NS-Zeit als entartete Kunst galten, und von Luise Bartholomä, die mit ihrem Einkommen die Familie finanzierte und von Ende als temperamentvoll beschrieben wurde.
Die Bildwelten seines Vaters prägten Michael Ende, dessen Geschichten meist phantastische Züge aufweisen, wie beispielsweise Jim Knopf (1960), Die Unendliche Geschichte (1979) oder eben auch Momo (1973). Noch vor seinem Umzug nach Rom, 1971, begann Ende mit den ersten Entwürfen für Momo, doch die eigentliche Schreibarbeit fand erst in Italien statt, weswegen sich auch einige römische Einflüsse (z. B. Kolosseum) in der Geschichte wiederfinden lassen. Ende arbeitete insgesamt sechs Jahre an Momo, wobei er immer wieder die Arbeit am Märchenroman unterbrach, um an anderen Projekten zu arbeiten. Zur Geschichte selbst führte ein Geschenk, das Ende von einer älteren Frau gemacht wurde: eine Taschenuhr ohne Zeiger.
Michael Ende gilt als einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren der Nachkriegszeit. Seine Werke sind auf der ganzen Welt bekannt und wurden in über 40 Sprachen übersetzt. Ende starb am 28.08.1995 an Krebs in Filderstadt nahe Stuttgart.
Über das Buch
Der Leser lernt zu Beginn der Geschichte das Mädchen Momo kennen, das am Rande einer Stadt in den Ruinen eines Amphitheaters wohnt. Allein - so scheint es zunächst - es ist nämlich weder Eltern, noch von Geschwistern die Rede. In Wahrheit ist Momo jedoch selten allein. Immerzu bekommt sie Besuch von anderen, die das Mädchen ins Herz geschlossen haben und sie schätzen. Momo besitzt zudem eine besondere Gabe: Sie ist unglaublich gut im Zuhören. Und indem sie das tut, schenkt sie ihren Mitmenschen ihre Zeit, was sie zu etwas Besonderem in der Nachbarschaft macht. Denn jeder fühlt sich dadurch wichtig und verstanden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass einfach jeder gerne zu ihr kommt. Zwei von ihnen hat Momo allerdings besonders gern, Gigi Fremdenführer, ein Junge, der es liebt Geschichten zu erzählen (und eine Schwäche für Momo hat), und Beppo Straßenkehrer, ein gutmütiger alter Mann.
Eines Tages tauchen dann auf einmal Männer in Grau in der Stadt auf, die es auf die Lebenszeit der Menschen abgesehen haben. Diese grauen Herren werden von mal zu mal immer mehr und zahlreicher und Momo sieht ihre Freunde immer seltener – und so nimmt sie das Problem schließlich in die Hand, denn sie scheint die Einzige zu sein, die etwas gegen diese Zeitdiebe ausrichten kann. Geführt und begleitet von einer sonderbaren Schildkröte namens Kassiopeia sucht Momo nach einer Rettung für die Menschen in ihrer Stadt, bevor es zu spät ist…
Meine Meinung
Wo soll ich nur anfangen? Momo ist eine wunderschöne Geschichte für Groß und Klein und definitiv zeitlos, denn Endes Märchenroman hat in den letzten beinahe 50 Jahren nichts an Aktualität eingebüßt. Der Leser lernt Momo zu Beginn der Geschichte besser kennen und schließt sie in sein Herz. Alles scheint wunderbar, bis die grauen Herren auftauchen. Diese suchen einen Einwohner nach dem anderen auf und gaukeln ihnen mit Hilfe von wirren Rechnungen vor, sie müssten ihre Zeit an die grauen Herren abtreten. Auf diese Weise hat schon bald keiner mehr Zeit, Momo zu besuchen. Sie haben auch gefühlt für nichts anderes mehr Zeit, außer arbeiten. Es gilt Zeit zu sparen, immerzu und überall.
Man fiebert mit Momo mit und hofft, dass alles gut ausgeht und sie die gestohlene Zeit der Menschen zurückbringen kann – ob es ihr tatsächlich gelingt, wird natürlich an dieser Stelle nicht verraten!
Was mich beeindruckt hat, ist die Aktualität dieses Buchs. Denn seien wir einmal ehrlich, so weit ist diese Buchwelt Momos von unserer heutigen Zeit nicht entfernt. Zeit ist ein großes Thema unserer Gesellschaft, die allerdings eine sehr schwierige Beziehung zur Zeit hat. Selbst jetzt gilt es doch immerzu alles zu optimieren, Zeit zu sparen, jederzeit erreichbar zu sein und möglichst effizient zu arbeiten. Das alles führt dazu, dass statistisch allein in Deutschland jeder zweite das Gefühl hat, kurz vor dem Burnout zu stehen – oder bereits darunter zu leiden. Zeitdruck und Stress sind allgegenwärtig – daher wird auch der Wunsch nach Entschleunigung immer größer.
Michael Endes Buch gibt einen guten Einblick darin, was passiert, wenn keiner mehr Zeit für die schönen, wichtigen Dinge im Leben hat und das ohne düster oder bedrückend zu wirken. Die Altersempfehlung für Momo liegt bei 12 Jahren, was ich ebenfalls unterstütze. Nach oben ist allerdings ganz viel Luft!
Von mir bekommt Endes Märchenroman 4 von 5 Sternen.
Michael Ende wurde wegen seiner phantastischen Kinderbücher oft kritisiert. Man warf ihm Weltflucht vor, dass er mit seinen Büchern die Wirklichkeit der Kinder verdrehen wolle, und man nahm ihn als Autor nicht ernst (da er ja auch „nur“ Kinderbücher schrieb und darin weder realistisch, noch politisch war). Michael Ende sagte selbst, er hätte Momo niemals in Deutschland schreiben können, da ihm das Land die Luft abgeschnürt hätte. Dies lag sicher auch an der Geringschätzung, die sein Heimatland ihm entgegenbrachte.
Heute zählt Momo zu Endes großartigsten Werken und hat durch den Thienemann Verlag hübsche Neugestaltungen bzw. Sonderausgaben erhalten.
Wer übrigens noch die alte Gestaltung von Momo kennt: die Illustrationen hat Michael Ende selbst mit Tusche angefertigt.
Ich empfehle jedem die folgende offizielle Homepage Michael Endes zu besuchen, da man dort noch so viel mehr rundum Momo (oder den anderen Büchern Endes) erfährt. Sie diente mir selbst auch als Quelle:
Ich wünsche euch allen einen schönen Ostermontag! (:
Michael Ende: Momo
Thienemann Verlag, Gebunden (Sonderausgabe), 304 Seiten, 2018
ISBN: 978-3-522-20255-8
15,00 €
Rezension und Bilder © Melanie Beck
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