„Gestapelte Frauen“ von Patrícia Melo

– Angelesen –

Als ich das Buch ausgepackt habe, musste ich über den Titel ein wenig lachen. Nachdem ich dann jedoch gelesen habe, wovon die Geschichte handelt, verging mir das Lachen sehr schnell.


Patrícia Melo wurde 1962 in São Paulo geboren und begann mit 18 Jahren ein Studium an der Philosophischen Fakultät an der dortigen Universität, der Pontifícia Universidade Católica. Dieses brach sie jedoch ab, um stattdessen Drehbuchautorin zu werden. 1994 erschien dann ihr erster Kriminalroman, auf den weitere folgten. Neben Drehbüchern und Kriminalromane verfasst Melo auch Theaterstücke und Hörspiele. 
Melo gehört zu den bedeutendsten Stimmen der brasilianischen Gegenwartsliteratur und wurde zudem von der Times zur „führenden Schriftstellerin des Millenniums“ in Latein-amerika gekürt. Heute lebt Melo mit ihrem Mann in Lugano, Schweiz.


Über das Buch
In Gestapelte Frauen verlässt die namenlose Ich-Erzählerin und Anwältin die Stadt São Paulo, um im in dem entlegenen Ort Cruzeiro do Sul einer Gerichtsverhandlung beizuwohnen. Dies tut sie jedoch nicht nur aus Interesse, sondern auch weil sie vor ihrem Freund Amir flieht. Er wird als intelligenter, charmanter, aber auch recht von sich überzeugter junger Mann beschrieben, der eines Nachts auf einer Party jedoch gewalttätig ihr gegenüber wird und sie schlägt. Die Tage darauf macht er sich über sie lustig, es sei doch nicht so wild gewesen, er hätte es nicht so gemeint, sie würde eine unnötige Szene machen und und und… Sie daraufhin ihre Sachen, verlässt die Stadt und sucht sich absichtlich einen möglichst weit entfernten sowie entlegenen Ort wie Cruzeiro do Sul. Dort finden die Verhandlungen zu einem brutalen Frauenmord statt, der sich dort ereignet hat, und dem sie als Beobachterin beiwohnen möchte. Angeklagt werden drei junge, weiße Männer, die ein indigenes Mädchen vergewaltigt, verstümmelt und getötet haben sollen.
Gleichzeitig taucht die Protagonisten zudem auch in die Rituale des Ortes und seiner Ureinwohner ein und versetzt sich mit Ayahuasca, einem psychedelischen wirkenden Pflanzensud, in eine Traumwelt, in die sie sich teilweise flüchtet, während sich weitere Frauenmorde ereignen…

In ihrem Kriminalroman beschäftigt sich Melo erstmals mit dem realen sowie allgegen-wärtigen Problem der Gewalt und Morde an Frauen (Femizide) in ihrer Heimat. Denn die traurige Wahrheit ist, dass jeden Tag in Brasilien durchschnittlich elf Frauen getötet werden. Eben diese Gräueltaten an Ehefrauen, Freundinnen und Töchtern thematisiert sie in Gestapelte Frauen und schildert die dortige, leider größtenteils reale Welt, die geprägt ist von Frauenhass, Verachtung, Rassismus und Machismo.


Meine Meinung
Zuallererst sei gesagt, dass ich dieses Buch nur angelesen habe – ich habe die ersten 80 sowie die letzten 10 Seiten gelesen. Warum habe ich es nicht ganz gelesen? Es lag nicht daran, dass ich das Buch schlecht fand, sondern es war einfach nicht mein Fall. Ich bin kein Fan von Kriminalromanen und wollte es dennoch mit diesem versuchen, weil ich das Thema sehr wichtig finde. Aber ich musste ziemlich schnell feststellen, dass dieses Buch hier wirklich ganz harter Tobak ist. Mir war der Stil teilweise zu derb, aber am meisten haben mich die Schilderungen aufgerieben. So gibt es z. B. als Zwischenkapitel immer wieder ein paar wenige Zeile, die Obduktionsberichte oder Zeitungsmeldungen realer Femizide wiedergeben.
Gestapelte Frauen ist direkt, schonungslos, unbequem und bedrückend – aber auch unglaublich interessant und wichtig. Es macht aufmerksam auf ein Verbrechen, das man hier in Europa so gar nicht wahrnimmt oder mitbekommt. Und genau das ist der Grund, warum ich mich dazu entschlossen habe, dennoch eine kleine Rezension zu schreiben, um auf dieses Buch und die Thematik aufmerksam zu machen.

Melos Kriminalroman war im letzten Monat außerdem auf Platz 3 der Krimibestenliste des Deutschland Funks.



Patrícia Melo: Gestapelte Frauen
Übersetzt von Barbara Mesquita
Unionsverlag, Gebunden, 256 Seiten, 2021
ISBN 978-3-293-00568-6
22,00 €



Rezension und Bilder © Melanie Beck

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