„Kindheit“ von Tove Ditlevsen

Dieses schlanke Büchlein aus dem Aufbau Verlag wurde mir vor Kurzem wärmstens empfohlen und da wir in der Buchhandlung sogar ein Leseexemplar davon hatten, habe ich mich dieser Geschichte in den vergangenen Tagen gewidmet.
Heute zum Internationalen Frauentag möchte ich euch davon erzählen – von dieser beeindruckenden, wenn auch tragischen Frau und ihrem feinen, bewegenden Werk.
Gestern, am 07. März 2021, war außerdem Tove Ditlevsens 45. Todestag.


Tove Ditlevsen wurde 1917 in Kopenhagen als Kind einer Arbeiterfamilie geboren. Schon früh fühlt sie sich fremd in ihrer Umgebung und bemüht sich vergebens um die Liebe ihrer Mutter, was sie wohl zeitlebens verfolgte und prägte.
Nach ihrer Konfirmation arbeitet Tove zunächst als Dienstmädchen und später in einem Büro. Zu diesem Zeitpunkt schrieb sie bereits und schaffte dann 1939 ihren lyrischen Durchbruch. Schreiben war ihr Leben, das wurde im Laufe ihres Lebens immer deutlicher.
Ditlevsen heiratete vier Mal, welche jedoch alle scheiterten, sie kämpfte mit Schwanger-schaftsabbrüchen, Depressionen und Drogen. In einer Suchtklinik schrieb sie 1967 die beiden Bücher Kindheit und Jugend. 1971 folgte der dritte Teil, Abhängigkeit, welcher die sogenannte Kopenhagen-Trilogie abschließt. Die Trilogie gilt als ihr zentrales Werk, welches dieses Jahr erstmals eine komplette deutsche Übersetzung erfahren hat – und in weiteren fünfzehn Sprachen aktuell übersetzt wurde/wird.
Tove Ditlevsen beging am 7. März 1976, im Alter von 58 Jahren, in Kopenhagen Selbstmord. Es war nicht ihr erster Versuch, ihr Leben zu beenden – den ersten hatte sie sogar in ihrem letzten Band der Trilogie zuvor schriftlich beschrieben und festgehalten, ehe sie ihn in die Tat umgesetzt hatte.


Über das Buch
Kindheit ist der erste Teil einer Trilogie, die sich in Kopenhagen abspielt, daher auch die Bezeichnung „Kopenhagen-Trilogie“. Die Geschichte ist deutlich von der Autobiographie der Autorin inspiriert und mutet auch ein wenig wie eine Autobiographie an, bleibt aber Autofiktion.
Der Leser erhält gleich einem Voyeur Einblick in das Leben bzw. in die (mehr oder weniger fiktive) Kindheit von Tove Ditlevsen. Die Tove im Buch wird genau ein Jahr später als ihre Autorin im Viertel Vesterbro, Kopenhagen geboren, am 14. September 1918. Es wird von ihrer Kindheit erzählt, ihrem Leben mit ihrer Familie, ihrem Vater, der früh seine Arbeit verliert und der in verbotenen Büchern liest, ihrem Bruder Edvin, zu dem sie die längste Zeit ihrer Kindheit aufsieht und von ihrer Mutter, deren Liebe sie sich als kleines Kind so sehr wünscht, doch die ihr meistens verwehrt bleibt.
Mit einer authentisch anmutenden Erzählstimme wird von den Höhen und Tiefen erzählt, welche im Deutschen eine verständliche, klare Übersetzung erhalten hat.
Schon früh wird in diesem Buch klar, dass Tove sich in ihrer Umgebung nicht wohl oder verstanden fühlt. Immer zu verstellt sie sich gegenüber Familie und Freunden, weil sie anders ist und nicht in die Zeit zu passen scheint. Gleichzeitig wird der Leser Zeuge ihrer ersten Schreibversuche und ersten Gedichten.
Kindheit endet kurz nach Toves Konfirmation und findet dann im zweiten Band, Jugend, seine Fortsetzung.


Meine Meinung
Ganz unaufgeregt und ruhig kommt dieser Roman daher und zieht den Leser in die 1920er Jahre in Kopenhagen. In einer klaren Sprache und mit feinen Beobachtungen breitet sich die (mehr oder weniger fiktive) Kindheit von Tove Ditlevsen vor einem aus, in deren Gedanken der Leser eintaucht. Man fühlt mit Tove, freut und trauert mit ihr und man reibt sich an ihrer schwierigen Beziehung zu ihrer Mutter auf. Und vielleicht versteht man auch ihre Andersartigkeit, ihr Problem, dass die Gesellschaft und die Zeit, in die sie hinein geboren wurde, nicht so recht zu ihr passen.
Ein Glück, dass sich der Aufbau Verlag diesem und den anderen zwei Bändern angenommen und sie ins Deutsche übersetzt hat. Vor allem ist die Ausgabe wirklich sehr hübsch, mit einem blauen Buchschnitt oben.
Von mir gibt es für dieses Buch 4 von 5 Sternen und ich kann das Buch jedem empfehlen, der nichts dagegen hat, auch einmal ein ruhiges Buch zu lesen – es lohnt sich!




Tove Ditlevsen: Kindheit
Teil 1 der „Kopenhagen-Trilogie“
Übersetzt von Ursel Allenstein
Aufbau Verlag, Gebunden, 118 Seiten, 2021
IBSN: 978-3-351-03868-7
18,00 €


Rezension und Bilder © Melanie Beck

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