„Die Telefonzelle am Ende der Welt“ von Laura Imai Messina

Im vergangenen Jahr kam ein Päckchen von Random House in die Buchhandlung geflattert und in diesem befand sich unter anderem ein Leseexemplar von Laura Imai Messinas Buch. Die schlichte, aber ebenso ästhetische Gestaltung des Covers hat mir auf Anhieb gefallen und auch der Klappentext klang vielversprechend, sodass ich mir fest vornahm, das Buch zu lesen!


Laura Imai Messina wurde in Rom geboren. Fürs Studium reiste sie mit 23 Jahren nach Japan, machte dort später auch ihren Doktor an der University of Foreign Studies und ist im Land der aufgehenden Sonne geblieben. Inzwischen arbeitet sie als Dozentin an unterschiedlichen Universitäten und schreibt nebenher Bücher. 2014 erschien ihr erster Roman, Tokyo Orizzontale, der ein großer Erfolg war. Es folgten zwei weitere Bücher 2018 und schließlich 2020 ihr vierter Roman, Quel che affidiamo al vento (dt. Was wir dem Wind anvertrauen). Dieser stand in Italien und Großbritannien viele Wochen auf der Bestsellerliste. Die Rechte wurden an 25 Länder verkauft und hier in Deutschland erschien er nun 2021 mit dem Titel Die Telefonzelle am Ende der Welt. Es ist gleichzeitig auch das erste Buch von Imai Messina, das ins Deutsche übersetzt wurde (soweit ich das recherchieren konnte).
Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann und zwei Kindern in Tokyo.



Zum Buch
In Ōtsuchi, Japan, steht in einem kleinen Garten in Meernähe das Telefon des Windes und ermöglicht den dortigen Besuchern mit den Verstorbenen zu sprechen. Während man durch die Leitung den Wind hört, beichtet und erzählt man, flucht und spricht man aus, was man zu Lebzeiten des Toten nicht mehr hat sagen können.
Eines Tages wird auch Yui auf dieses Telefon des Windes aufmerksam, die als Radiomoderatorin in Tokio arbeitet. Bei dem Tsunami 2011 verlor sie ihre kleine Tochter und ihre Mutter, ein Verlust, der ihr schwer zu schaffen macht. Als sie von diesem wundersamen Ort dann in einer ihrer Radiosendungen hört, macht sie sich am nächsten Tag kurzerhand auf dem Weg. Und von da an sollte sie regelmäßig immer wieder zu diesem Ort zurückkehren – ohne jemals den Hörer des Telefons abgenommen zu haben. Diesem magischen Ort gelingt es auch so, die Leben einzelner Hinterbliebenen, Trauernden und Verlorenen miteinander zu verweben.
So lernt Yui unter anderem den Arzt Takeshi kennen, dessen Frau verstorben ist. Sie beide lernen sich kennen und verstehen sich so gut, dass sie zukünftig zusammen von Tokio aus nach Ōtsuchi reisen und ganz allmählich entwickelt sich da mehr.
Der Leser begleitet die Protagonistin auf einer Reise über mehrere Jahre, bei der es um Heilung geht, darum, dass sie über ihren schweren Verlust hinwegkommen muss, um sich dem Leben wieder mehr öffnen zu können – und es geht um Hoffnung. Gleichzeitig wird jedoch auch deutlich, dass Heilung etwas sehr Individuelles ist. Jeder trauert auf seine eigene Art und daher braucht man auch unterschiedlich lang zum heilen.
Ob Yui am Ende doch den Hörer des Telefons abhebt, das möchte ich nicht verraten.

Das Buch wartet in der deutschen Übersetzung mit einer klaren, einfachen Sprache auf, die sich gut lesen lässt. Eine kleine Besonderheit sind die Zwischenkapitel, in denen der Leser kleine Zusatzinformationen bekommt, wie zum Beispiel die Playlist der Lieder, die während einer Fahrt gehört wurden, Eigenheiten, Gesprächsausschnitte oder Begriffsdefinitionen.
Weiterhin gibt es am Ende des Buches ein hübsches Glossar über verschiedene japanische Begriffe, denen man im Laufe der Geschichte begegnet (ich habe mich allerdings über das „kombini“ gewundert – das kenne ich dann doch eher als „koNbini“). Es muss auch noch betont werden, dass dieses Buch von einer wahren Geschichte inspiriert ist – das Telefon des Windes gibt es also wirklich!



Meine Meinung
Da ich nun oben schon einiges aufgezählt habe, die mir sehr gut an dem Buch gefallen haben (Ausstattung und Co.) möchte ich nun zu ein paar Dingen kommen, die mir persönlich nicht so gut gefallen haben. Die Geschichte wird in einem sehr ruhigen Ton erzählt und der ist sicherlich auch angesichts der Themen berechtigt, aber das sorgte bei mir gelegentlich dafür, dass ich es, wenn ich es mal beiseitegelegt habe, ich es dann aber auch nicht gleich am nächsten Tag weitergelesen habe. Es hatte mich einfach nicht so gefesselt wie andere Bücher, selbst wenn es sich gut las.
Außerdem war mir der mittlere Teil (in dem es vor allem um Yui und Takeshi geht) zu lang und kam mir langatmig vor – dazu tragen gelegentlich auch die Einschübe bei. Mit „Einschübe“ meine ich, dass innerhalb eines Kapitels immer auch Absätze gemacht werden und manchmal ist dann so ein längerer Abschnitt dann zeitlich woanders verordnet, so gibt es zum Beispiel einen Ausblick in die Zukunft oder einen kleinen Zeit- oder Gedankensprung. Ich weiß nicht, wie ich das besser erklären kann, das ist auf jeden Fall das, was ich mit „Einschub“ meine und was mich ab und an irritiert hat.
Nichtsdestoweniger lässt es sich Die Telefonzelle am Ende der Welt schnell lesen und ist ein schönes Buch – gerade auch von der Aufmachung her. Unter dem Schutzumschlag ist sogar eine kleine Telefonzelle eingeprägt (s. o.) – ein wirklich wunderschönes Detail! Von mir gibt es für dieses Buch 3 von 5 Sternen.


Zuletzt möchte ich noch auf die Homepage der Autorin verweisen – leider ist sie auf Italienisch, aber man kann sie sich von Google übersetzen lassen. Ich konnte dank meiner Latein- und Spanischkenntnissen ein bisschen davon verstehen :*)



Laura Imai Messina: Die Telefonzelle am Ende der Welt
Übersetzt von Judith Schwaab
btb Verlag, Gebunden, 352 Seiten, 2021
ISBN: 978-3-442-75896-8
20,00 €


Rezension und Bilder © Melanie Beck

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