"Die Physiker" von Friedrich Dürrenmatt

Wir feiern heute auf unserem Blog den 100. Geburtstag von Friedrich Dürrenmatt und haben das zum Anlass genommen, Dürrenmatts Komödie "Die Physiker" gemeinsam zu lesen. 


Der Autor:

Friedrich Dürrenmatt wurde am 5. Januar 1921 in Konolfingen bei Bern geboren. Dürrenmatt zeichnete sehr gern, vorzugsweise Katastrophen, wie er selbst einmal gestand, darunter zum Beispiel Kriege und Sintfluten. Der Maler des Orts stellte ihm schließlich sein Atelier zur Verfügung und förderte den Jungen. 1935 zog die ganze Familie dann jedoch nach Bern, wo Friedrich ans Gymnasium ging. 
„Ich hatte immer Schwierigkeiten in der Schule. Ich war ein Mensch ohne Gedächtnis; ich war ein Träumer und kam nie in der Schule nach.“*
Sein Vater, der Pfarrer war, wollte, dass sein Sohn Theologie studierte, doch der interessierte sich nach wie vor mehr für die Malerei bzw. für ein Kunststudium. Sein Vater gestattete ihm dies unter der Bedingung, dass Friedrich zuerst seine Matura (Abitur) machte. Daraufhin gab Friedrich Dürrenmatt sich so viel Mühe, dass er seine Matura tatsächlich schaffte, doch zu einem Kunststudium kam es dennoch nicht. Da man ihm damals für seinen eher expressionistischen Stil auslachte, entschied er sich letztendlich für ein Studium der Philosophie, das er 1941 in Bern begann. Die folgenden zwei Jahre studierte er in Zürich, zusätzlich Naturwissenschaften und Germanistik, ehe er wieder nach Bern zurückkehrte.
Während seiner Studienzeit lernt er einige Leute kennen, unter deren Einfluss er anfing zu schreiben. 1943 verfasste er „Der Knopf“, seine erste Komödie, woraufhin viele weitere Texte und Erzählungen folgten. In den späten 40er und frühen 50er Jahren veröffentlichte Dürrenmatt einige seiner heute noch bekanntesten Werke: „Romulus der Große“ (1949) sowie seinen damals ersten Kriminalroman „Der Richter und sein Henker“ (1950) und ein Jahr später „Der Verdacht“. Der große Durchbruch als Bühnenautor gelang ihm 1955 mit „Der Besuch der alten Dame“, welches in Zürich uraufgeführt wurde und Dürrenmatt international berühmt machte. 1961 schrieb er „Die Physiker“, welches Februar 1962 in Zürich uraufgeführt wurde. 
„[…] Das Problem liegt bei mir ganz anders. Soll ich malen oder schreiben. Es drängt mich zu beidem.“*
Seine Kunst hatte Dürrenmatt nicht aufgegeben, tatsächlich bereute er später, dass es nie zu einem Kunststudium gekommen war. 1976 fand endlich sogar die erste Ausstellung seiner Bilder in Neuchâtel statt. Aufgrund jedoch der unangenehmen Erfahrungen in der Vergangenheit stellte Dürrenmatt nur sehr selten seine Werke aus.
In den 1980er Jahren erhielt Dürrenmatt einige Auszeichnungen für seine Werke, darunter den Schiller-Gedächtnis-Preis sowie den Georg-Büchner-Preis. 
Am 14. Dezember 1990 verstarb Friedrich Dürrenmatt in Neuchâtel, Schweiz mit nur 69 Jahren.


Das Buch:

Bei der Lektüre des nur 87 Seiten starken Büchlein fiel es mir schwer, nicht immer wieder an die aktuell anhaltende Pandemie-Lage zu denken. Ungewissheit, immer neu auftretende Probleme und damit zusammenhängende Maßnahmen prägen unseren turbulenten Alltag, der so ganz anders erscheint, als er es noch vor einem Jahr gewesen ist. So schreibt Dürrenmatt in seinen sorgsam aufgelisteten Punkten zu den „Physikern“: Die schlimmstmögliche Wendung ist nicht vorhersehbar. Sie tritt durch Zufall ein. Und weiter: Die Träger einer dramatischen Handlung sind Menschen. Wir. 

Dürrenmatt skizziert bereits im Jahr 1961 ein Problem, welches uns im Jahr 2020 mit voller Wucht getroffen hat: Wissenschaft und Fortschritt wägt uns Menschen, die sich nach Gewissheit und Planbarkeit sehnen, scheinbar in Sicherheit. Scheinbar deshalb, weil „Zufälle“ – wie z.B. die Corona-Pandemie – uns dennoch erschüttern und vor bis dato unbekannte Probleme stellen. Am schlimmsten trifft es uns, da es uns vor Augen führt, wie klein wir gegen die Macht der Natur erscheinen und egal, wie wohldurchdacht sämtliche mögliche Szenarien erscheinen, das unnmöglichste Zufall in Kraft tritt. 

Dürrenmatt fragt nach der Verantwortung der Wissenschaft und derer, die in jener tätig sind. So versucht sein Protagonist Johann Wilhelm Möbius seine bahnbrechenden und weltverändernden Erkenntnisse in der Physik zu verheimlichen, in dem er sich als „Verrückter“ in ein Sanatorium zurückzieht – mutmaßend, dass die Erkenntnisse vom Machtdurst der Menschen negativ ausgenutzt werden könnten.

Bei den „Physikern“ handelte es sich um das erste Werk von Dürrenmatt, was ich seit meiner Schulzeit gelesen habe. Schon damals war ich vor allem von „Der Richter und sein Henker“ begeistert – es zählt bis heute zu meinen liebsten Schulbuchlektüren. Auch bei den „Physikern“ erkannte ich die charismatische humoristische Schreibweise Dürrenmatts wieder, die ich so sehr schätzte, und auch seinen klar durchdachten dramatischen Aufbau der Handlung. Für die Lektüre dieses Buches habe ich kaum mehr als 1,5 Stunden gebraucht, was nicht nur der Kürze geschuldet war, sondern auch aufgrund des präzise aufgebauten Spannungsbogen besonders schnell von der Hand ging.

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Auch mir hat Dürrenmatts Komödie sehr gefallen. Ich fühlte mich beim Lesen an Wissenschaftler wie Alfred Nobel (der für die Erfindung des Dynamits verantwortlich ist) sowie Robert Oppenheimer, Otto Hahn oder Lise Meitner (deren Arbeiten zur Erstellung der Atombombe beitrugen) erinnert. Sie hatten für die Wissenschaft geforscht, doch das Ergebnis ihrer Arbeiten hat sehr vielen Menschen geschadet. Und genau das spricht auch Dürrenmatt in seinem Werk an. An einer Stelle sagt Möbius, man wisse ja, was die Welt mit den Waffen anrichtet, die sie bereits besitzt – und was sie mit jenen machen würde, die Möbius ihnen mit seiner Arbeit ermöglichen könnte (vgl. S. 73). 
Es geht in „Die Physiker“ also wie oben erwähnt um die Verantwortung der Wissenschaft, also um die Fragen, was die Wissenschaft darf und vor allem wie weit sie gehen darf und was für Folgen das haben kann.
Dieses doch eher ernste Thema verpackt Dürrenmatt aber gekonnt und unterhaltsam in seiner schwarzen Komödie, die wir jedem nur empfehlen können. Es ist spannend bis zum Schluss! 

Von uns gibt es daher 4,5 von 5 Sternen.


Zum Schluss möchten wir zum einen auf eine Ausstellung über Dürrenmatts Karikaturen im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg verweisen – das Museum ist zwar zu, doch auf der Homepage kann man etwas dazu lesen, hören und anschauen! 
Hier findet ihr die entsprechende Seite:

Und zum anderen, wer sich lieber erst einmal eine umfassendere Zusammenfassung der Komödie anhören bzw. anschauen will, dem empfehlen wir hier Sommers Weltliteratur to go mit einem Video über Dürrenmatts Physiker: https://youtu.be/XBVGS0gaHyY

*Zitiert nach: https://www.duerrenmatt.net/biographie/


Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker
Eine Komödie in zwei Akten, Neufassung von 1980
Diogenes Verlag, Taschenbuch, 96 Seiten, 1998
ISBN: 978-3-257-23047-5

6,90 €

Die aktuelle Ausgabe beim Diogenes Verlag hat ein neues Cover und einen neuen Preis: 9,-€, 
die ISBN-Nummer ist allerdings die gleiche geblieben.


Rezension und Bilder © Melanie Beck und Elena Dröscher

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