„Das Eis-Schloss“ von Tarjei Vesaas

Dieses Buch fand erst im vergangenen Dezember seinen Weg auf meinen Bücherstapel, obwohl es bereits 2019 in Deutschland erschien. In Norwegen gilt dieses Buch als Klassiker und wurde dort schon 1963 herausgegeben. Anlässlich dessen, dass Norwegen das Gastland der Frankfurter Buchmesse 2019 war, wurde Tarjei Vesaas Buch vom Guggolz Verlag zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt. 


Tarjei Vesaas wurde 1897 als ältester Sohn eines Bauern in Vinje (Telemark), im Süden von Norwegen geboren. Die Familie lebte in einem Haus, das schon seit 300 Jahren von ihren Vorfahren bewohnt wurde. Nach einer Europareise in den 20er und 30er Jahren weigerte sich Tarjei allerdings den Hof seines Vaters zu übernehmen, da er schon früh für sich beschlossen hatte, Schriftsteller zu werden. 1934 heiratete er dann Halldis Moren, eine Lyrikerin, mit der er ein Haus in der Heimatgemeinde Vinje bezog. 
Vesaas übte sich in verschiedenen Genres, wie Gedichten, Dramen, Romanen, aber auch Kurzprosa, welche ihm zu internationalen Ruhm verhalfen. Sein Werk zeichnet sich durch zumeist rätselhaft-symbolische Züge und einem lyrischen Stil aus. 
Für Das Eis-Schloss erhielt Vesaas 1964 den Preis des Nordischen Rats, der als der wichtigste Literaturpreis in Skandinavien gilt. 


Zum Buch
Vesaas Eis-Schloss erzählt die Geschichte zweier Mädchen, von der beliebten sowie auf-geweckten Siss und der stillen, in sich gekehrten Unn. Da Unns Mutter verstorben ist und niemand weiß, wer der Vater ist, kommt sie in die Obhut ihrer Tante, die in dem gleichen Dorf wie Siss lebt. 
Natürlich sind alle in der Schule sehr neugierig auf das neue Mädchen, allerdings merken sie schnell, dass die Neue lieber für sich ist. Ohne viel miteinander gesprochen zu haben, wird Siss und Unn aber klar, dass da was zwischen ihnen ist und dann lädt die verschlossene Unn eines Tages Siss zu sich nach Hause ein. Dieser Abend wird etwas ganz Besonderes für beide, doch dann taucht Unn am nächsten Tag nicht mehr in der Schule auf und niemand weiß, wo sie ist. 
Erzählt wird aus der Sicht von Siss – mit einer Ausnahme. Ein Kapitel, das meiner Meinung nach entscheidende Kapitel, ist aus Unns Sicht erzählt. In diesem erfährt der Leser, dass Unn, anstatt zur Schule zu gehen, einen ganz bestimmten Wasserfall aufsucht, der in der Schule bereits in aller Munde ist. Es handelt sich dabei um einen sehr großen, gefrorenen Wasserfall, der von den anderen als „Eis-Schloss“ bezeichnet wird. Viel mehr möchte ich gar nicht verraten, um nicht zu viel vorweg zu nehmen. Nur so viel sei noch gesagt: ab genau diesem Kapitel aus Unns Sicht konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. 


Meine Meinung
Das Eis-Schloss handelt von den zarten Anfängen einer Freundschaft zwischen zwei Mädchen, aber auch von Verlust, Trauer, Verbundenheit und vom Heranwachsen. Auf ungefähr 180 Seiten erzählt Vesaas seinen dichten Roman, der ein bisschen auch wie eine Zeitreise ist. Immerhin schrieb Vesaas seine Geschichte 1963 und lebte selbst zu einer Zeit, die so ganz anders war als unsere heutige. Es ist dabei jedoch nicht so auffällig, dass es beim Lesen stört. 
Und da ist noch Vesaas ganz eigene, besondere Erzählweise, die mir bereits auf der ersten Seite auffiel und mich zuerst etwas stutzen ließ. Ich habe mich dann aber doch sehr schnell daran gewöhnt und schätze Vesaas klare Sprache mit seinen poetischen Bildern, die einem das titelgebende Eis-Schloss so bezaubernd und verführerisch vor Augen führen. Wobei ich hier natürlich nur die deutsche Übersetzung beurteilen kann, welche ich jedoch als sehr gelungen empfinde. Das Eis-Schloss ist mitreißend, berührend, aufreibend, aber niemals kitschig. Eines muss allerdings noch gesagt werden: dieses Buch lässt manche Fragen unbeantwortet. Manche empfinden das als unbefriedigend, andere finden gerade das faszinierend, daher kann ich mir vorstellen, dass das Ende die Meinungen spaltet. Da es mich persönlich nicht störte und ich wirklich angetan bin, gibt es von mir 4 von 5 Sternen



Tarjei Vesaas: Das Eis-Schloss 
Übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel
Guggolz Verlag, Gebunden, 199 Seiten, 2019
ISBN: 978-3-945370-21-6
22,00 €


Rezension und Bilder © Melanie Beck

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