„Abschiedsfarben“ von Bernhard Schlink

Im Juli dieses Jahres habe ich im Radio gehört, wie über Bernhard Schlinks neues Buch Abschiedsfarben erzählt wurde und wurde neugierig. Zu Schulzeiten musste ich von ihm den Vorleser lesen, der zu den besseren Schullektüren zählte, die wir im Unterricht drangenommen haben. 
Glücklicherweise gab es vom Diogenes Verlag ein Leseexemplar von Bernhard Schlinks Abschiedsfarben für die Buchhandlung und das konnte ich mir nun für die vergangenen Wochen ausleihen und lesen. 


Bernhard Schlink, der 1944 in Bielefeld geboren wurde, studierte später an der Universität in Heidelberg sowie an der Universität Berlin Jura. Als er schließlich 1987 gemeinsam mit Walter Popp seinen ersten Roman Selbs Justiz veröffentlichte, arbeitete er bereits erfolgreich als Jurist und Professor für Öffentliches Recht. Es folgten weitere Kriminal-romane in dieser Reihe (Selbs Betrug und Selbs Mord), die er jedoch ohne Popp verfasste. 
Das wohl bekannteste und erfolgreichste Werk Schlinks ist sein Roman Der Vorleser, der 1995 erschien und in über 40–50 Sprachen übersetzt wurde. Es wurde zu einem internationalen Erfolg und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Schlink bekam zudem für seinen Vorleser das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse 2003. 
Darüber hinaus erfuhr Der Vorleser auch eine Verfilmung durch den Briten Stephen Daldry mit Kate Winslet, David Kross, Ralph Fiennes und Bruno Ganz. Schlink arbeitet noch heute als Jurist und lebt in Berlin und New York. 


Schlinks Abschiedsfarben ist ein Erzählband, der in neun Kurzgeschichten verschiedene Facetten von Abschied thematisiert. Dabei geht es nicht nur um den Abschied von Personen, sondern auch um den Abschied sowie das Loslassen von Vergangenem. Prinzipiell erscheint das Konfrontieren der eigenen Vergangenheit ein sehr wichtiges Thema zu sein, da es in mehreren Kurzgeschichten vorkommt. Sie handeln jedoch auch von (gescheiterte) Liebe, von Versäumnissen, Verrat, Vertrauen und Verbotenem. Um nicht zu viel zu verraten, werde ich auf drei der neun Kurzgeschichten etwas genauer eingehen (halte mich aber auch da kurz). 
In „Künstliche Intelligenz“, der ersten Kurzgeschichte in diesem Band, geht es um einen Mann, der früher als Mathematiker in der DDR tätig war. Damals hatte er einen Freund an die Stasi verraten, um dessen Flucht zu vereiteln, sodass er weiter mit ihm zusammen forschen und arbeiten konnte. Als nun viele Jahre später sein Freund verstirbt, möchte dessen Tochter einen Blick in die Stasiakten werfen und der Mann befürchtet, dass sein damaliger Verrat womöglich darin festgehalten wurde. 
Die ‚skandalöseste‘ Kurzgeschichte in diesem Band ist „Geliebte Tochter“. Darin wird nicht nur über Max Frischs Homo Faber und über die Geschichte von Lot und seinen Töchtern aus dem Alten Testament geredet, nein, es passiert auch etwas Dementsprechendes in dieser Kurzgeschichte – mehr will ich aber auch gar nicht verraten. 
„Picknick mit Anna“ erzählt die Geschichte eines Mannes, der Zeuge eines Mordes wird. Als die Polizei am nächsten Tag bei ihm anklopft, verschweigt er jedoch, was er gesehen hat und verhindert somit auch, dass der Täter gefasst wird. Grund dafür ist, dass er die Frau, die erstochen wurde, kannte und ihr einen Vorfall in der Vergangenheit nicht verziehen hat. 


Die Kurzgeschichten haben eine angenehme Länge, meistens zwischen 20–30 Seiten (die längste hat 40 Seiten) und lassen sich aufgrund der klaren, einfachen Sprache gut lesen. Alles in allem muss ich jedoch sagen, dass ich von den Kurzgeschichten eher enttäuscht bin. Manche Geschichten ähneln sich vom Grundgerüst und den Charakteren so sehr, dass ich sie leicht miteinander verwechsle (oder vergesse). Die Frauenfiguren sind zumeist sanftmütige, blasse (langweilige) Charaktere. Demgegenüber stehen die Männer, die ebenfalls alle aus einem Guss zu sein scheinen. Mir fehlte es hier eindeutig an mehr Diversität und Vielfalt. 
Dabei boten einige Geschichten durchaus Potential, doch oft wurden sie gegen Ende einfach zu seicht und klischeehaft. Da die Kurzgeschichten an sich jedoch gut geschrieben und ganz nett sind, gibt es von mir 2,5 von 5 Sternen. 



Bernhard Schlink: Abschiedsfarben 
Diogenes Verlag, Gebunden (Leinen), 240 Seiten, 2020
ISBN: 978-3-257-07137-5
24,00 €

Rezension und Bilder © Melanie Beck

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