„Von Männern, die keine Frauen haben“ von Haruki Murakami
Für eine kleine Reise ins Nachbarbundesland vor zwei Wochen brauchte ich eine geeignete Lektüre für die Zugfahrt und da war dieses Buch wie gemacht dafür. Ich hatte mir schon seit längerem einmal vorgenommen, ein Buch von Haruki Murakami zu lesen. Oder generell ein Buch eines japanischen Autors. Glücklicherweise hatte ich dieses Buch bereits daheim liegen und es hat mich so nett von der Seite angelächelt... Außerdem hat es ein so handliches Format (9x14,3 cm), dass es perfekt in die Seitentasche meines Rucksacks gepasst hat (es passt übrigens auch in die Gesäßtasche einer Frauen-Jeans, vorausgesetzt sie sind nicht nur fake oder zugenäht).
Haruki Murakami gehört wohl zu den international bekanntesten Autoren Japans, der mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet wurde. Murakami wurde 1949 in Kyoto geboren, studierte in Tokyo Theaterwissenschaft und Drehbuch und lebt heute in Ōiso auf der japanischen Hauptinsel Honshū. In den 1970er Jahren gründete er einen Jazzclub namens „Peter Cat“, den er acht Jahre lang leitete, ehe es ihn in den 1980er nach Europa verschlug. Dort hielt er sich unter anderem in Frankreich, Italien und Griechenland auf. 1991 ging er dann in die USA, kehrte jedoch vier Jahre darauf wieder nach Japan zurück.
Seine ersten Werke, die er in den 1970er und 80er schrieb (z. B. Pinball, 1973 und Naokos Lächeln, 1987), erschienen in Deutschland erst zwanzig bis vierzig Jahre später. Seinen großen Durchbruch in Deutschland hatte Murakami mit seinem Werk Mister Aufziehvogel (jp. 1995, dt. 1998), woraufhin seine nachfolgenden Werke zumeist zeitnah auch in Deutschland erschienen.
Musik ist nach wie vor sehr wichtig für Murakami, besonders Jazz, wovon seine beein-druckende Vinylsammlung von 10,000 Schallplatten zeugt, die er in seinem Arbeits-zimmer aufbewahrt. Weiterhin ist Murakami nicht nur als Schriftsteller tätig, sondern auch als Übersetzer – so übersetzte er z. B. Werke von John Irving, Truman Capote oder Raymond Carver ins Japanische.
Murakamis Von Männern, die keine Frauen haben erschien sowohl in Japan, als auch in Deutschland 2014 und umfasst sieben Kurzgeschichten:
„Drive my Car“, „Yesterday“, „Das eigenständige Organ”, “Scheherazade”, “Kinos Bar”, “Samsa in Love” und “Von Männern, die keine Frauen haben“ sind die Titel dieser „long short stories“.
In allen Geschichten stehen Männer im Mittelpunkt, die – wie es der Titel bereits vermuten lässt – keine (Ehe-)Frauen haben. Davon abgesehen werden Verlust, Sehnsucht oder die eigene Suche nach Identität thematisiert. Alle Kurzgeschichten zeichnen sich zudem durch eine einfache, direkte, teilweise aber auch sehr sensible Sprache in der deutschen Übersetzung aus und haben ein – wie ich es schon von japanischen Filmen kenne – offenes Ende. Da das Buch sehr klein ist und die Kurzgeschichten nie länger als 60 Seiten sind, kommt man sehr gut beim Lesen voran. Um nicht zu viel zu verraten, werde ich nur zu drei der sieben Kurzgeschichten etwas sagen.
Die Kurzgeschichten „Drive my Car“ und „Kinos Bar“ haben mir persönlich am besten gefallen und über sie habe ich im Nachhinein auch am meisten nachgedacht.
„Drive my Car“ ist der Auftakt der kleinen Kurzgeschichtensammlung und wird in dieser Ausgabe auf 53 Seiten erzählt. Sie handelt von dem Schauspieler Kafuku, der seinen Führerschein verloren hat und nun auf Zeit einen Fahrer sucht. Ihm wird eine etwas ungewöhnliche, recht schweigsame Frau empfohlen, die er schließlich engagiert. Von mal zu mal öffnet er sich ihr gegenüber und erzählt ihr von seiner verstorbenen Ehefrau. Mir gefiel hierbei die alltägliche Stimmung sowie der sachte, aber direkte, einfache Ton und der Hauch von Traurigkeit und Hoffnung.
In „Kinos Bar“, einer Kurzgeschichte von 58 Seiten, geht es um Kino, einem Mann, der seine Frau bei einem Seitensprung mit einem seiner Arbeitskollegen erwischt. Er verlässt sie daraufhin, zieht weg und eröffnet eine Bar, die einige seltsame Gestalten anzieht. Kino macht Bekanntschaften, freundet sich mit einer streunenden Katze an und trifft irgendwann auch wieder auf seine Ehefrau. Eines Tages vernimmt Kino dann ein lautes Klopfen, jedoch nicht an der Tür der Bar, sondern eines in ihm drinnen. Eine sehr gefühlvolle Kurzgeschichte, mit teilweise mythischen Elementen gegen Ende hin, und der Frage, was Kino eigentlich fehlt.
Die Kurzgeschichte „Samsa in Love“, 38 Seiten, ist eigentlich nicht ganz mein Geschmack, aber dennoch erwähnenswert. Jeder, der Kafkas Verwandlung kennt, fühlt sich durch den Namen „Samsa“ eventuell an eben jene Geschichte erinnert. Tatsächlich bezieht sich Murakami auf eben jene Erzählung Kafkas, nur dass er das ganze herumdreht. In „Samsa in Love“ wird nicht der Mensch verwandelt, sondern das Insekt. Auch wenn mich die Geschichte mit seinen surrealistischen Elementen zu sehr an Kafka erinnert (und ich kein Fan von dessen Werk bin), muss ich doch zugeben, dass die Idee Murakamis interessant und eindrucksvoll umgesetzt wurde.
Haruki Murakamis Von Männern, die keine Frauen haben handelt von Einsamkeit, Sehnsucht, Verlust und Identität. Es zeigt das Leben sehr unterschiedlicher Männer auf, die alle ohne (Ehe-)Frauen sind und mit diesem „Schicksal“ auch unterschiedlich umgehen. Hier und da gibt es natürlich trotzdem Frauen in ihrem Leben, aber eben nicht (mehr) die Eine, die zu ihnen passt und die mit ihnen ihr Leben teilt. Die Charaktere sind manchmal etwas verschroben oder seltsam, die Handlung skurril, traurig oder surreal – auf alle Fälle ist Von Männern, die keine Frauen haben eine gute Lektüre für eine Zugreise. Ich gebe dem Buch gute 3 von 5 Sternen.
Was mir an dem Buch allerdings nicht so gut gefallen hat, sind zwei Dinge. Zum einem ist es das Frauenbild, das in den meisten Kurzgeschichten gezeichnet wird – in fast allen gibt es eine (verstorbene) Ehefrau, die ihren Mann betrügt. Was ist denn los mit den Ehefrauen in Japan? Oder anders, denkt Herr Murakami denn so schlecht von uns (und wie denkt Frau Murakami davon)?
Zum anderen ist die Gestaltung bzw. Herstellung dieses Bandes in meinen Augen mangelhaft. Haptisch fühlt sich der Einband des Buches zwar toll an – er ist nicht glatt, sondern leicht geriffelt – aber leider sehr anfällig für Risse. Ich bin mit meinen Büchern immer sehr vorsichtig und biege sie nie komplett auseinander – und trotzdem hat dieser Band recht schnell einige Risse bekommen, was ich doch sehr unschön und schade finde (siehe das Foto oben). Ein anderes Material oder eine andere Machart des Einbandes wären daher wünschenswert.
Zuletzt möchte ich noch auf die Homepage von Haruki Murakami verweisen, dort kann man sich unter anderem einen Eindruck von seinem Arbeitszimmer machen – sehr interessant!
Haruki Murakami: Von Männern, die keine Frauen haben
Übersetzt von Ursula Gräfe
btb Verlag (Geschenkausgabe), Gebunden, 352 Seiten, 9,0x14,3 cm, 2018
Geschenkausgabe mit Lesebändchen
ISBN: 978-3-442-71706-4
10,00 €
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