"Chronik eines angekündigten Todes" von Gabriel García Márquez
Wer hat schon nicht von Gabriel García Márquez gehört? Mir begegnete der Name zum ersten Mal, als ich die Verfilmung seines Buches Die Liebe in Zeiten der Cholera gesehen habe (der mir allerdings nicht so gut gefallen hat). Ein paar Jahre später habe ich in einem öffentlichen Bücherregal eben jenes Buch entdeckt, ebenso wie Hundert Jahre Einsamkeit, doch bislang habe ich keines von beiden gelesen. Anfang des Jahres habe ich dann dieses Buch hier, Chronik eines angekündigten Todes, gefunden. Es ist wesentlich kürzer als die anderen beiden, umfasst in meiner Ausgabe gerademal 120 Seiten. Und da ich schon länger einmal etwas von Márquez hatte lesen wollen, schien mir dieses Büchlein ein guter Einstieg.
Gabriel García Márquez zählt zu den ganz großen und meistgelesenen Schriftstellern Lateinamerikas. Er wurde 1927 in Kolumbien geboren und arbeitete zunächst für eine Zeitung, für die er kleinere Geschichten und Rezensionen verfasste. Erst später kamen dann auch größere Kolumnen, Drehbücher, Kurzgeschichten, Romane und vieles mehr dazu. Seinen ganz großen Durchbruch als Autor hatte er 1967 mit seinem Roman Hundert Jahre Einsamkeit (Cien años de soledad), für das er 1982 auch schließlich den Nobelpreis für Literatur erhielt. Das Preisgeld investierte er in die Gründung einer neuen Tages-zeitung. Márquez war sehr politisch, hielt öffentliche, politische Reden und arbeitete auch noch viele Jahre lang weiter für kolumbianische Zeitungen bzw. Zeitschriften. 2014 verstarb der Literaturnobelpreisträger mit 87 Jahren in seinem Haus in Mexiko-Stadt. Mit ihm verstummte eine der bedeutendsten politischen Stimmen Lateinamerikas.
Als ich anfing die Chronik eines angekündigten Todes (Crónica de una muerte anunciada) zu lesen, hatte ich keinerlei Erwartungen an das Buch. Ich hatte ja bisher nichts von Márquez gelesen und dachte, er schreibt womöglich eher so schnulzige Bücher (denn die Verfilmung von Die Liebe in Zeiten der Cholera kam mir sehr schmalzig vor). Umso mehr hat es mich letztendlich überrascht.
Der kurzweilige Roman legt bereits zu Beginn die Karten auf den Tisch. So erfährt der Leser im ersten Satz, dass Santiago Nasar getötet werden soll. Nur das weiß Santiago Nasar nicht. Unbekümmert beginnt er den neuen Morgen, unwissend, dass dieser Tag sein letzter sein würde.
Noch am Abend zuvor hatte das ganze Dorf eine große Hochzeit gefeiert, doch schon in der Hochzeitsnacht brachte der Bräutigam seine Braut zurück in ihr Elternhaus, weil sie nicht mehr jungfräulich gewesen war. Die Brüder der Braut befragen sie und erfahren schließlich den Namen des Übeltäters: Santiago Nasar. Um die befleckte Ehre ihrer Schwester wiederherzustellen, machen sie sich auf den Weg, um ihn zu töten. Ganz offen erzählen sie jedem von ihrem Vorhaben und am Ende stellt sich die Frage, warum hat niemand diesen Mord verhindert?
Diese Ungeheuerlichkeit wird von dem Ich-Erzähler viele Jahre später rekonstruiert. Dementsprechend ist das Buch in verschiedene Abschnitte unterteilt. Zuerst begleitet der Leser den ahnungslosen Santiago Nasar, im nächsten erfährt man mehr über den Bräutigam und seine Braut und wie es überhaupt zu diesem Bündnis kam. Daran anschließend erfährt der Leser durch verschiedene Bewohner des Dorfes mehr vom Ablauf des verhängnisvollen Tages und folgt den Brüdern auf ihrem Weg. Es gibt noch weitere Abschnitte, auf die ich jedoch nicht genauer eingehen will, um nicht zu viel zu verraten. Nur so viel sei gesagt, dass sich die einzelnen Abschnitte sowie deren Inhalt schließlich zu einem minutiösen Gesamtbild des Verbrechens und dessen Hintergrund zusammenfügen.
Es war spannend zu lesen, wie sich dieser Roman entwickelt, obgleich man bereits wusste, wie er enden würde. Man bangt bis zuletzt mit Santiago Nasar und fragt sich, warum niemand diese Tat verhindert hat. Ein Mord geschieht und ein Dorf sieht zu. Ein klein wenig fühlte ich mich an Dürrenmatts Besuch der alten Dame erinnert, wenngleich die Umstände dort ganz andere sind.
Der Leser erfährt natürlich auch, warum diese Tat nicht verhindert werden konnte – doch das möchte ich hier niemandem vorwegnehmen.
Die Chronik eines angekündigten Todes ist mal ironisch, mal derb, mal komisch und gegen Ende ganz schön grausam. Hin und wieder kam ich übrigens mit den ganzen spanischen bzw. kolumbianischen Namen durcheinander. Nichtsdestoweniger ist der Roman wirklich gut geschrieben bzw. ins Deutsche übersetzt worden.
Ein Buch, das zum Nachdenken anregt und das aufgrund seiner wenigen Seiten schnell zu lesen ist. Ich gebe diesem kurzweiligen Roman daher 4 von 5 Sternen und bin nun mehr als zuvor neugierig auf die anderen Werke von Gabriel García Márquez.
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Da meine Ausgabe mal wieder nur antiquarisch zu erhalten ist, hier eine Alternative:
Gabriel García Márquez: Chronik eines angekündigten Todes
Übersetzt von Curt Meyer-Clason (er hat auch meine Ausgabe übersetzt)
Fischer Verlag (Taschenbibliothek), Gebunden, 144 Seiten, 2015
ISBN: 978-3-596-52058-9
10,00 €
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