„Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert

„Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will“

Es ist mal wieder Zeit für ein Buch, das nicht auf meiner Liste für dieses Jahr stand.
Ich habe es einem Seminar in diesem Sommersemester zu verdanken, dass ich auf dieses Stück von Wolfgang Borchert aufmerksam wurde und hätte es sonst vermutlich nie gelesen. Welch eine Schande das gewesen wäre! Es ist tatsächlich das beste Stück das ich bislang in meiner Studentenlaufbahn für die Uni habe lesen müssen.


Wolfgang Borchert wurde nur 26 Jahre alt und hat in seinem Leben viel durchmachen müssen. Geboren wurde er am 20. Mai 1921 in Hamburg. Er war im Militärgefängnis, 1941 kam er an die Ostfront, wurde als untauglich schließlich wieder nach Hause geschickt, da er an Gelbsucht und Diphterie litt. Später landete er erneut im Gefängnis, ehe er 1945 in die Trümmer Hamburgs zurückkehrte. Fieberkrank und gebrochen. Er arbeitete als Regieassistent und Kabarettist, schrieb Erzählungen und Gedichte, trotz schlechter Gesundheit. Eine Kur in der Schweiz kam leider viel zu spät. Er starb am 20. November 1947, ein Tag bevor sein einziges Drama, Draußen vor der Tür, in Hamburg uraufgeführt wurde. Zuvor wurde es am 13. Februar 1947 als Hörspiel im Nordwestdeutschen Rundfunk ausgestrahlt.

Über das Buch
Draußen vor der Tür handelt von dem Kriegsheimkehrer Beckmann, der drei Jahre in Kriegsgefangenschaft in Sibirien gewesen war und nun in die Trümmer Hamburgs zurückkehrt. Gleichzeitig findet er sich jedoch auch in den Trümmern seiner eigenen Existenz wieder. Seine Frau hat einen neuen Mann, weswegen er nun kein Zuhause mehr hat. Im Laufe des Stücks sucht er einige Personen und Orte auf, doch letztendlich steht Beckmann immer wieder draußen vor der Tür.

„Ein Mann kommt nach Deutschland. […] [Er ist] [e]iner von denen, die nach Hause kommen und die dann doch nicht nach Hause kommen, weil für sie kein Zuhause mehr da ist. Und ihr Zuhause ist dann draußen vor der Tür. Ihr Deutschland ist draußen, nachts im Regen, auf der Straße. Das ist ihr Deutschland.“ (S. 8)


Meine Meinung
Das Stück ist ehrlich und ungeschönt und bringt dadurch die Brutalität sowie die Unbarmherzigkeit der damaligen Zeit gut zum Ausdruck. Die Sprache ist einfach, aber sehr direkt und das nicht nur, wenn von den Kriegsgeschehen berichtet wird.
Eindrücklich werden die Erlebnisse geschildert und ein anschauliches, wenn auch beklemmendes sowie kritisches Bild der Nachkriegszeit gezeichnet.

„Wie die Fliegen! 
Wie die Fliegen kleben die Toten an den Wänden dieses Jahrhunderts. 
Wie die Fliegen liegen sie steif und vertrocknet auf der Fensterbank der Zeit“. (S. 10)

Borcherts Drama ist ein Paradebeispiel für die Trümmerliteratur Deutschlands, welche mit dem Kriegsende 1945 einsetzt und bis in die 1950er reicht.
Die Verfassung Beckmanns, körperlich wie seelisch, zeugt von der Härte jener Zeit. Dieses Stück ist nicht frei erfunden, sondern entspricht der damaligen Wirklichkeit. Schließlich hat Borchert ähnliches durchgemacht – der Dienst an der Ostfront, die Haft im Militärgefängnis, Krankheit – und das alles in einem jungen Alter, wie es auch auf Beckmann zutrifft.
Beckmann, der einfach nur Beckmann ist. Der keinen Vornamen hat, denn im Grunde konnte damals jeder Beckmann sein.

Von mir gibt es 4,5 von 5 Sternen für dieses unglaubliche Stück, das ich ganz sicher so schnell nicht vergessen werden – vor allem wegen seines Symbolcharakters, den Figuren und seiner Sprache.

Übrigens: da Borchert schon seit über 70 Jahren tot ist, ist das Urheberrecht seines Stücks bzw. seiner Werke erloschen und folglich gemeinfrei auf der Seite des Projekts Gutenberg zugänglich. Dennoch empfehle ich es, eine Ausgabe wie die meine zu kaufen – denn in dieser befinden sich noch zahlreiche Kurzgeschichten von Borchert – es lohnt sich!


Meine Ausgabe
(allerdings antiquarisch, daher gebe ich euch weiter unten noch eine andere an):
Wolfgang Borchert. Draußen vor der Tür. Und ausgewählte Erzählungen. Mit einem Nachwort von Heinrich Böll. 
Rowohlt Verlag, Taschenbuch, 54 Seiten, 1991

Wolfgang Borchert: Draußen vor der Tür
und andere Werke
Reclam Verlag, Taschenbuch, 227 Seiten, 2018
ISBN: 978-3-15-019466-9
5,80€

Oder die gebundene Gesamtausgabe bei Rowohlt:
Wolfgang Borchert - Das Gesamtwerk
Rowohlt Verlag, Gebunden, 576 Seiten, 2007
ISBN: 978-3-498-00652-5
25,00 € (als TB 15,00€)

Rezension und Bilder © Melanie Beck


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