„Tagebuch eines Buchhändlers“ von Shaun Bythell


Im vergangenen Dezember entdeckte ich dieses hübsche, äußerlich in Blautönen gehaltene Buch. Das Cover sowie die Thematik haben mich sofort angesprochen. Da ich selbst schon in einigen Buchhandlungen gearbeitet habe, war ich neugierig, wie die Arbeit mit Büchern von anderen empfunden wird. Im Fall dieses Buches: von Shaun Bythell. Dieser führt eine Buchhandlung (Antiquariat) in Wigtown, einer kleinen Stadt in Schottland. Wigtown gilt als Nationale Bücherstadt Schottlands; sie hat um die 1000 Einwohner und 10 Buchhandlungen (und das schon seit einigen Jahren!). Eine davon ist „The Book Shop“, die Buchhandlung, die Shaun Bythell 2001 übernommen und einen stolzen Bestand von ca. 100.000 Bücher hat.


In „Tagebuch eines Buchhändlers“ nimmt Bythell den Leser ein Jahr lang mit in seinen Laden – beginnend im Februar 2014 bis Februar 2015. Wir erfahren nicht nur etwas über die Glanzseiten der Arbeit in einer Buchhandlung (Antiquariat), wie z. B. das Finden neuer Bücher, der Verkauf von sehr kostbaren und teuren Büchern oder der Kontakt mit anderen Buchliebhabern – nein, man erfährt auch viel über die Schattenseite dieses Berufs und wie traurig oder frustrierend er sein kann.
So finden viele Bücher z. B. ihren Weg zu ihm, weil jemand gestorben ist oder ältere Menschen in ein kleineres Zuhause oder in ein Heim ziehen müssen.
Dann sind da noch natürlich die furchtbaren Kunden. Die, die sich zich Bücher herausziehen, durchblättern, Stunden im Laden verbringen und anschließend gehen, ohne etwas zu kaufen. Aber da gibt es noch ganz andere Fälle. Bythell berichtet von den merkwürdigsten Kunden und den seltsamsten Fragen, die er in dem Jahr zu Ohren bekommt. Viele dieser Anekdoten sind sehr amüsant (und traurigerweise Realität).
Darüber hinaus erfährt man allerdings auch etwas über die Umgebung – über Wigtown, seine Geschichte und die Menschen, die dort leben. Auch das eine oder andere über Bythells Privatleben (er liebt seinen Garten und er geht sehr gerne angeln). Ich habe durch dieses Buch überhaupt erst erfahren, dass es in Schottland kein Buchpreisbindungsgesetz gibt, anders als hier in Deutschland.

Es ist interessant und leicht zu lesen, da die Sprache (der deutschen Übersetzung) einfach ist und die Tagebucheinträge nie länger als drei Seiten sind – manchmal sogar nur wenige Zeilen. Bythell ist ein unglaublich sympathischer Mann – zumindest für mich. Viele seiner Ansichten teile ich und einiges, was er erlebt hat, habe auch ich schon erlebt, weswegen das Buch umso unterhaltsamer für mich war.

Natürlich macht Bythell auch auf einen gewissen Großkonzern aufmerksam, der im Grunde der große Feind aller Buchhandlungen ist: amazon. Gerade in diesen Zeiten kann ich nur jedem Raten, die kleinen Buchhandlungen bzw. den Einzelhandel generell zu unterstützen! Ich gehöre zwar auch zu jenen, die hin und wieder ein Buch gebraucht kaufen – meistens Lektüre für die Universität – (oder es aus einem öffentlichen Bücherregal zieht), aber wenn ich ein neues Buch für mich kaufen will, dann stets über den Buchhandel! (Mit Ausnahme vielleicht von ausländischen Büchern, die leider oft über unseren Buchhandel ewig brauchen – und oft viel teurer sind).

Doch noch einmal zurück zum Buch. Es ist vermutlich eines der besten Bücher, das einen ungeschönten Blick in die Arbeit des Buchhandels wirft, ohne es übertrieben zu romantisieren. Davon abgesehen steckt es voller Informationen und viel Humor. Und ich überlege tatsächlich, irgendwann, sobald das Reisen wieder unkompliziert wird, Wigtown zu besuchen.
Gerade für Buchliebhaber muss es ein kleines Paradies sein. So gibt es z. B. jedes Jahr (mit Ausnahme wohl von diesem Jahr) das Wigtown Book Festival. Oder es gibt das „Open Book“, eine Buchhandlung, die man mieten kann, um sich dort selbst als Buchhändler zu versuchen. Allerdings ist diese bis 2021 bereits ausgebucht und auf der Warteliste sollen noch um die 700 weiteren Interessenten stehen.

Für diesen interessanten, unterhaltsamen Einblick gibt es von mir 3½ von 5 Sternen. An manchen Stellen war es mir doch etwas zu langatmig oder es fanden sich einige Wiederholungen – aber nichtsdestoweniger ein sehr gutes Buch!

Bythell und seinen Laden findet ihr übrigens auch auf Facebook.


Shaun Bythell: Tagebuch eines Buchhändlers
Übersetzt von Mechthild Barth
Covergestaltung: semper smile, München
unter Verwendung einer Illustration von Jon McNaught
Btb Verlag, Taschenbuch, 446 Seiten, 2019
ISBN: 978-3-442-71865-8

11,00 €

Rezension und Bilder © Melanie Beck

Kommentare