„Die dunkle Seite des Mondes“ von Martin Suter

Oder: Der menschliche Abgrund.
Zum Autor: 

Martin Suter, der Erfolgsautor aus der Schweiz: Seine Bücher finden sich in den Regalen jener Bücherliebhaber, die anspruchsvolle sowie besonders wertvoll und wohl durchdachte Literatur zu schätzen wissen. Der in Zürich lebende Autor, der zunächst als Kolumnist und in der Werbebranche tätig gewesen war, blickt auf eine großartige Karriere zurück: mehrere Literaturpreise darf er sein Eigen nennen.



Mit dem Roman „Small World“, auf welchen ich in einem zweiten Beitrag zurückkommen werde, gelang Suter sein großer Durchbruch. Mit „Die dunkle Seite des Mondes“ und „Ein perfekter Freund“ folgten zwei weitere Romane, die Suter selbst als seine „neurologische Trilogie“ – so in einem Interview mit der Wiener Zeitung aus dem Jahr 2002 – betitelt. Wie auch in „Ein perfekter Freund“ und „Small World“ durchlebt die Hauptfigur – der Staranwalt Urs Blank – in „Die dunkle Seite des Mondes“ eine Identitätskrise, die ihr zum Verhängnis werden wird.


Das Buch: 

Der Titel des Romans, welcher erstmal im Jahr 2000 erschienen ist, erinnert sofort an das gleichnamige Album von Pink Floyd: the dark side of the moon. Der Mond, der unablässig in seiner Laufbahn die Erde umkreist und deshalb auch als natürlicher Satellit bezeichnet wird, zeigt uns Bewohnern stets seine leuchtende Seite. Die dunkle Seite bleibt uns für immer verborgen.

Sie fuhren mit offenen Fenstern und lauter Musik. Pink Floyd The dark side of the moon. Lucille hatte die Kassette mitgebracht. "Die beste Trip-Musik der Welt", hatte sie behauptet. 
(aus "Die dunkle Seite des Mondes" auf Seite 62) 

Was uns Lesern nicht verborgen bleibt und was Suter uns fast schon schmerzlich real vor Augen führt: der Mensch ist fehlbar, zerbrechlich und seine dunkle Seite dringt oft und unkontrollierbar nach außen. Urs Blank gilt als Koryphäe auf seinem Gebiet und emotionale Entgleisungen kennt er nicht. Nachdem er eine Fusion zweier Firmen erfolgreich durchführt, wird ihm ein zweiter Auftrag zugeteilt. Blank befindet sich zeitgleich in einer Midlifecrisis und lernt so die jüngere Lucille kennen, welche ihn dazu bringt halluzinogene Pilze zu konsumieren und aus seiner bisherigen "Komfortzone" - seiner Ehe und Arbeit - auszubrechen. Für Blank hat das fatale Folgen: seine Ehe und sein Leben werden nie wieder so sein, wie sie vorher waren. 



Innerhalb von wenigen Tagen hatte ich das 315 Seiten starke Buch verschlungen. Das Schicksal von Blank, welches darauf beruht, dass der sonst so rationale und intelligente Mann eine emotionale und aus dem Affekt heraus getroffene Fehlentscheidung trifft, ließ mich nicht los. Auch die dramatische Fallhöhe der Hauptfigur und die damit einhergehende Brutalität schockierten mich und lassen mich etwas ratlos zurück. Wie kann einem Menschen, der so fest im Leben steht (wohl mehr im Arbeitsleben), wie Urs Blank, nur so etwas passieren? Und wieso fällt es ihm so schwer sich daraus zu befreien? Der Abgrund des menschlichen Daseins ist in Suters Buch so real und präsent für mich, wie der Duft der Sandelholz-Räucherstäbchen, die Lucille an ihrem Stand verkauft, an dem sie und Blank sich kennen lernen.

„Ein Seidentuch brauchen Sie nicht?“
„Ich trage Krawatten.“
„Für Ihre Frau, dachte ich.“ 
„Ich habe keine Frau“
(aus "Die dunkle Seite des Mondes" auf Seite 25) 



Mein Fazit: 

Da es sich hierbei um eines meiner liebsten Bücher handelt, gebe ich dem Roman 5 von 5 Sternen. Die Spannung, die Dramatik und auch die humoristische Note Suters sind für mich der Stoff aus dem gute Bücher gemacht sind! Die Handlung führt fesselnd und präzise auf ein fulminantes Finale hin: Ich empfinde großes Mitleid mit Urs Blank und bin Martin Suter dankbar für diesen packenden Roman.

Martin Suter: Die dunkle Seite des Mondes


Diogenes Verlag AG, Taschenbuch, 315 Seiten, 2000
Umschlagillustration: Ernst Ludwig Kirchner "Waldlandschaft mit Bach" (1925/26)
ISBN: 978-3-257-23301-8
10,90 €

Rezension und Bilder © Elena Dröscher

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